Bürger:inneninformation zur Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereiches in Ittenbach

21.06.2022

In den Straßen Im Aacherfeld, Im Kleefeld und Im Tälchen sollen die verkehrsberuhigten Bereiche aufgehoben werden. Für den Döttscheider Weg wird die Errichtung einer Tempo-30-Zone, bzw. die Erweiterung der bestehenden Zone erwogen. Die Maßnahmen werden vor dem Hintergrund eines festgestellten rechtswidrigen Zustandes (Beschilderung) erforderlich. Dazu hatte die Verwaltung bereits umfänglich im zuständigen Bau- und Verkehrsausschuss berichtet. Im Februar wurden die betroffenen Anwohner:innen (Anlieger:innen) schriftlich über die geplanten Maßnahmen informiert. Nun erläuterte die Verwaltung am 21. Juni in einer Bürgerinformationsveranstaltung die rechtliche Situation und gab den betroffenen Anliegern die Gelegenheit geben ihre Fragen und Anregungen direkt an die Fachverwaltung zu adressieren. Lesen Sie hier das Protokoll.


Aufhebung des verkehrsberuhigten Bereiches in den Straßen Im Aacherfeld, Im Kleefeld und Im Tälchen und ersatzweise Einrichtung einer Tempo-30-Zone sowie die Erweiterung der bestehenden Zone im Döttscheider Weg

Dat./Uhrzeit:  21.06.2022, 18.00 – 19.10 Uhr

Ort:                 Forum der Grundschule Am Sonnenhügel, Oberpleis (Humboldtstr. 3)

Protokoll:      Heike Rex, Joachim Fuchs

Teilnehmer:innen:

Verwaltung:  Albert Koch (GBL 66), Joachim Fuchs (SBL 660), Florian Striewe (StSL05),   

Heike Rex (StS05)

Politik:           Oliver Kampa (KÖWI), Alexander Stucke (KÖWI), Franz Gasper (CDU),

Thomas Koch (CDU)

Bürgerschaft:  zwischen 10 und 12 Personen



Herr Koch eröffnet die Informationsveranstaltung mit einer kurzen Vorstellungsrunde.

Herr Fuchs stellt die Sach- und Rechtslage anhand einer Präsentation dar. Nach der Veranstaltung werden die behandelten Fragen und Anregungen dem zuständigen Fachausschuss (BVA) zur Kenntnis gebracht sowie im Internet veröffentlicht.

Er erläutert, dass im Jahr 1994 eine testweise Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs im BVA vorgeschlagen worden sei. Die Testphase sei aber nicht beendet worden, sondern habe bis heute fortbestanden. Durch eine Beschwerde über zu schnelles Fahren, habe es eine Ortsbegehung mit der Polizei gegeben, die hierbei festgestellt habe, dass sie rechtlichen Voraussetzungen für einen verkehrsberuhigten Bereich nicht vorliegen und die verkehrsrechtliche Anordnung dieses verkehrsberuhigten Bereichs nicht rechtmäßig ist. Daraufhin sei die Verwaltung aufgefordert worden, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen.

Nach Kenntnis dieses rechtswidrigen Zustandes ist die Verwaltung somit gehalten, im Sinne des Rechtsstaatsprinzips einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. Die Verwaltung muss daher handeln. Herr Fuchs weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass es sich bei der verkehrsrechtlichen Anordnung um eine Aufgabe der Verwaltung handelt, die nicht durch den Beschluss eines politischen Gremiums gefasst werden kann.

Im Anschluss an die Präsentation wird der interessierten/betroffenen Bürgerschaft die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen.

Auf die Nachfrage, warum die Verwaltung nicht darauf hinwirke, dass die gesetzlichen Regelungen geändert werden und warum kein Ermessen ausgeübt zugunsten der Anwohner ausgeübt werde, erklärt Herr Fuchs, dass die Verwaltung ein Exekutivorgan ist und nicht für die Gesetzgebung zuständig sei.

Bezüglich eines Ermessensspielraumes müsste die StVO diesen Rahmen durch entsprechende Formulierungen einräumen. Wo jedoch ausdrücklich Kriterien für einen verkehrsberuhigten Bereich verbindlich vorgeschrieben sind, fehlt dieser Spielraum.

Es wird mehrfach das Unverständnis vorgebracht, dass die StVO doch in der Hauptsache zum Schutz der Menschen diene und nicht nachvollziehbar sei, dass man einen bestehenden verkehrsberuhigten Bereich zugunsten einer 30-Zone auflöst. (Anmerkung: Die Beschilderung an sich gewährt dem Menschen keinen Schutz, sondern stellt eine Regelung dar, die durch die äußeren Umstände begleitet werden muss, z.B. durch den richtlinienkonformen Ausbau eines solchen Bereichs)

Die Anwohner hätten damals die Grundstücke als Baugrundstücke gewählt, weil sie damals in einer Straße mit Wendehammer lagen und daher mit wenig Verkehr zu rechnen war. Die Straßen seien jedoch im Nachhinein baulich verändert bzw. zu Durchgangsstraßen umfunktioniert worden. Daraufhin hätten sich die Anwohner beschwert und man habe ihnen stattdessen den in Rede stehenden verkehrsberuhigten Bereich angeboten.

Weiterhin stellt sich den Anwohnern die Frage, ob es eine Art Bestandsschutz für diesen verkehrsberuhigten Bereich gibt, da dieser ja bereits seit ca. 28 Jahren besteht.

Das Rechtsinstitut des Bestandsschutzes leitet sich aus Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz her und ist im Einzelnen gesetzlichen nicht geregelt. Bestandschutz setzt jedoch voraus, dass es sich um einen Tatbestand handelt, der zu einem früheren Zeitpunkt rechtmäßig war und im Nachhinein durch gesetzliche Neuregelungen rechtswidrig wurde. Nachträglich eintretende Nachteile sollen durch Bestandsschutz vermieden werden.  In diesem Fall war aber bereits die Einrichtung des verkehrsberuhigten Bereiches im Jahre 1994 nicht rechtmäßig, worauf auch explizit hingewiesen wurde. Daher kann sich hieraus kein Bestandsschutz ableiten.

Diesbezüglich ist auch auf den Rechtsgrundsatz hinzuweisen, dass aus Unrecht kein Recht entstehen kann (ex iniuria ius non oritur). Es kann auch kein Anspruch darauf bestehen, dass eine Wiederholung von Fehlern, die in der Vergangenheit durch Verwaltung/Politik begangen wurden, wiederholt werden.

Ein Anwohner fragt, warum keine Geschwindigkeitsmessung aufgrund der Beschwerde vorgenommen wurde.

Daraufhin erklärt Herr Fuchs, dass die Polizei im Rahmen dieser Beschwerde festgestellt habe, dass die verkehrsrechtliche Anordnung des verkehrsberuhigten Bereichs nicht rechtmäßig ist und eine Geschwindigkeitsmessung mit einer möglicherweise anschließenden Bußgeldverhängung nur aufgrund einer rechtlichen Grundlage möglich ist. Das wäre in diesem Fall eine rechtmäßige Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereichs. Hier fehlt es aber an der Rechtsmäßigkeit und somit an der Ermächtigungsgrundlage für die Verkehrsmessung.

Sobald der Bereich in eine 30 Zone umgewandelt wurde, können Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden.

Herr Fuchs weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in einem sogenannten verkehrsberuhigten Bereich eine Mischfläche Grundvoraussetzung ist. Dies ermögliche allerdings Fahrzeugen auf allen Flächen zu fahren, so dass eine Messung hier nicht möglich wäre, da man das Messgerät auf z. B.  eine Fahrbahn fixieren müsse, die in einem verkehrsberuhigten Bereich nicht vorhanden ist. (An dieser Tatbestandsvoraussetzung fehlt es im in Rede stehenden Verkehrsbereich).

Herr Gasper (CDU) erklärt, dass man am besten die Straßen wieder durch sogenannte Poller verschließen würde, damit würde der Verkehr reduziert und die Probleme wären gelöst.

Die RSAG könne mit kleineren Fahrzeugen die Straße befahren, damit das Wenden möglich sei.

Herr Koch (CDU) fragt nach, ob man nicht die Straßen baulich so verändern kann, dass sie zumindest in Teilabschnitten zu verkehrsberuhigten Bereichen eingerichtet werden können.

Die Verwaltung erklärt, dass man einen solchen Antrag sicher prüfen könne, in diesem Fall aber seitens des Rates die Zusage zur Bereitstellung von entsprechenden finanziellen Mitteln Voraussetzung sei.

Auf Fragen zur Zuständigkeit für den ruhenden Verkehr (Parksituation) wird seitens der Verwaltung auf die Ordnungsbehörde verwiesen.

Nachdem keine weiteren Fragen vorgebracht werden, bedankt sich Herr Koch für die Teilnahme an der Informationsveranstaltung und die Diskussion und beendet die Veranstaltung um 19.10 Uhr.



Weiteregenden Erläuterungen nach Auswertung der offenen Bürger:innenfragen

Rechtsgrundlagen, Prüfungsergebnis und Ermessensspielräume (Normen, Schlussfolgerungen aus Begehung mit der Polizei, Protokoll)

§ 45 Abs. 1b, Nr. 3 Straßenverkehrsordnung (StVO), Verwaltungsvorschrift zu § 45 (Ziffer 2.2.13, Richtlinien für die Anlegung von Stadtstraßen (RASt) und Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen (H BVA)

Die StVO gewährt den Straßenverkehrsbehörden das so genannte Entschließungsermessen, als die Abwägung darüber, ob ein Bereich als Verkehrsberuhigter Bereich (VB) ausgewiesen werden soll. Grundsätzlich sind an VB und Tempo-30-Zonen höhere bauliche Voraussetzungen geknüpft. Diesem Umstand trägt der Gesetzgeber hier Rechnung, da für diese Fälle formuliert ist: „Die Straßenverkehrsbehörde ordnet die … im Einvernehmen mit der Gemeinde an“.

Bei Fehlen einer der Voraussetzungen (Mischfläche usw.) besteht jedoch kein Ermessensspielraum für die Straßenverkehrsbehörde.

Aus dem Ergebnis der Begehung ist zu folgern, dass der VB rechtswidrig war/ist und somit aufzuheben ist. Eine Entscheidung, Teilbereiche der genannten Straßen wieder als VB auszuweisen, ist dann möglich, wenn der Bereich wesentlich verkürzt wird und einhergehende Umbauten erfolgen. Die dadurch verursachten Kosten wären vollständig vom städtischen Haushalt zu tragen und unterliegen der politischen Entscheidungsabwägung.

Ergänzende Anm.: Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist Kernstück des Rechtsstaatsprinzips; er hebt den Rechtsstaat vom Willkürstaat ab. Nach diesem Grundsatz sind alle Verwaltungsmaßnahmen an Gesetz und Recht gebunden. Die Verwaltung führt die Gesetze aus und ist dabei an Recht und Gesetz gebunden.

Zuständigkeiten (Polizei, Verkehrsbehörde, Gremien/BVA)

Zuständig für Maßnahmen im Straßenverkehr, u.a. verkehrsrechtliche Anordnungen sind ausschließlich die Straßenverkehrsbehörden (gem. § 45 Straßenverkehrsordnung –StVO). Nach den Verwaltungsvorschriften zu § 45 StVO sind die Straßenbaubehörde (bei Gemeindestraßen der Baubetriebshof als Straßenbaulastträger) und die Polizei anzuhören.

Es ist mittlerweile in den Ratsgremien kommuniziert, dass verkehrsrechtliche Maßnahmen nur von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden können. Der Bau- und Verkehrsausschuss als zuständiges Fachgremien, kann lediglich Prüfaufträge beschließen, nicht aber über verkehrsrechtliche Maßnahmen abstimmen.

Möglichkeiten der baulichen Anpassungen zur Herstellung rechtlicher Grundlagen zur Einrichtung temporeduzierender Maßnahmen (verkehrsberuhigte Bereiche und Tempo 30)

Insbesondere für einen Verkehrsberuhigten Bereich sind, wie vorgetragen, bestimmte bauliche Voraussetzungen zu erfüllen. Die betreffende Verkehrsfläche ist als Mischfläche niveaugleich anzulegen, es darf keine optische (Markierung oder farbliche Abgrenzung) und keine bauliche Trennung (z.B. Tief- oder Hochbordstein) vorhanden sein. Weiterhin sind verschiedene Elemente vorgesehen, etwa die Anlegung von Pflasterkissen, Beeten usw. Der Bereich muss eine Aufenthaltsfunktion bieten und eine gewisse Länge (laut Richtlinien 100 Meter) sollte nicht überschritten werden.

Die betreffenden Straßen sind weniger als 30 Jahre alt, die Flächen weisen kaum Schäden auf, es besteht kein Sanierungsbedarf. Es besteht daher kein Anlass, den Straßenausbau neu zu planen, zumal entsprechende Vorgaben nicht im zugrundeliegenden Bebauungsplan hinterlegt sind.

Darlegung des Vorgangs (chronologische Darstellung)

  • Oktober 1994 Anordnung Aufstellung VB (Verkehrszeichen 325) testweise
  • Mehrere Beschwerden von Anwohnern an Polizei und Straßenverkehrsbehörde Oktober und November 2018
  • Ortstermin mit dem Ergebnis der Aufhebung des VB (30.11.2018)
  • Bürgerantrag 1759 vom 22.07.2019 mit Unterschriftenliste mit dem Ziel den Verkehrsberuhigten Bereich beizubehalten
  • Mitteilung der Verwaltung vom 25.07.2019 für die Sitzung des Bau- und Verkehrsausschusses zur Kenntnis
  • 10.12.2019 Gespräch mit Vertretern des Straßenverkehrsamtes (Fachaufsichtsbehörde) und der Polizei zum grundsätzlichen Umgang mit Verkehrsbereichen, die rechtswidrig beschildert sind.
  • 31.08.2021 Mitteilung der Verwaltung an den Bau- und Verkehrsausschuss. Es wird beschlossen, dass die Aufhebung des VB in einer Bürgerinformationsveranstaltung vorher erläutert wird.
  • 01.02.2022 Datum des Bürgerinfo-Anschreibens, Verteilung 07.02.2022
  • 21.06.2022 Info-Veranstaltung Grundschule Am Sonnenhügel
  • 01.07.2022 Verkehrsrechtliche Anordnung zur Aufhebung des VB

Verfahrensstand zu Bürgerantrag 2019/1759 und weitere Möglichkeiten der Anwohner:innen

Der Bürgerantrag wurde vom zuständigen Haupt-, Personal- und Finanzausschuss in der Sitzung am 23.09.2019 ohne inhaltliche Prüfung an den Fachausschuss, den Bau- und Verkehrsausschuss verwiesen. Der Bürgerantrag richtet sich gegen eine verkehrsrechtliche Maßnahme, die erst am 01.07.2022 angeordnet wurde.

Da der Petent die Beratung des Antrages wünscht, wird der Bau- und Verkehrsausschuss hierüber in einer Sitzungsvorlage in der Sitzung am 23.08.2022 unterrichtet. Da bereits hinlänglich erläutert wurde, dass der Ausschuss die verkehrsrechtliche Anordnung nicht per Mehrheitsbeschluss aufheben kann, wird die Unterrichtung in Form einer Informationsvorlage ohne Beschlussvorschlag erfolgen.

Da wie ausführlich erläutert, die baulichen Voraussetzungen für einen Verkehrsberuhigten Bereich nicht vorliegen, wird dem Petenten empfohlen, in einem erneuten Bürgerantrag, die bauliche und planerische Umgestaltung einzufordern. Aus Sicht der Verwaltung ist dies so notwendig, da eine Umdeutung des Bürgerantrags 1759 dahingehend nicht erfolgen kann.

Ansprechpartner:in

Frau Heike Rex
Bürgerbeteiligung (05)
Funktion: Sachbearbeiterin Bürgerbeteiligung
Rathaus Königswinter-Altstadt
Drachenfelsstr. 9-11
53639 Königswinter
H 0.3
Herr Florian Striewe
Bürgerbeteiligung (05)
Funktion: Leiter Stabsstelle Bürgerbeteiligung / Pressesprecher
Haus Bachem
Drachenfelsstr. 4
53639 Königswinter
HB 1.0

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